Vulkan Lascar – The sky is my Limit
Es wurde wieder Zeit einen Punkt auf meiner “Erlebte Abenteuer- Liste” anzugehen und dieses Mal sollte es die Besteigung eines aktiven Vulkans sein. Chile ist aufgrund vieler zugänglicher Lava- spuckender Berge perfekt geeignet dafür. Am beliebtesten ist der Villaricca in der Nähe von Pucon. Ich entschied mich allerdings für den weniger bekannten Vulkan Lascar in der Atacama- Wüste.
Trotz seiner Höhe von 5.592 Metern wirkt der unförmige Vulkan Lascar neben den anderen gigantischen Bergen eher unscheinbar. Dadurch wird er vermutlich auch unterschätzt, aber erst im Jahr 2006 spuckte dieser Asche so hoch in den Himmel, dass Buenos Aires auf der anderen Seite des Kontinents auch noch etwas davon hatte. Seit einigen Jahren wird mit einem erneuten Ausbruch gerechnet. Natürlich hoffte ich, dass das nicht genau dann passiert, wenn ich über den Kraterrand schaue. “Aber, man lebt ja nur einmal!”
Nachdem ich ein Jahr zuvor schon den schlafenden Vulkan Baru in Panama bestiegen hatte, traute ich mir diese Herausforderung zu. Allerdings nicht ohne einen Tourguide. Ich zahlte 75.000 Clp (circa 100 Euro) an eine Agentur in San Pedro und erhielt dafür ein Frühstück, eine Koka- Blätter Flatrate, einen erfahrenen Wanderführer und einen Platz im Jeep.
Tipps und Informationen über San Pedro gibt’s in diesem Artikel.
Early zum Vulkan Lascar
Mit einer halben Stunde Verspätung, noch im Dunkeln um 5 Uhr morgens holte mich ein junger Franzose mit seinem 4- Rad- Antrieb Jeep vorm Hostel ab. Auf der Rückbank saßen bereits voller Vorfreude eine 40- jährige Argentinierin und ein etwas älterer Amerikaner.
Nach zwei Stunden Fahrt erreichten wir den ersten Stopp an der Laguna Leija auf einer Höhe von circa 4.000 Metern. Langsam wurde es heller und ich konnte mir endlich die Umgebung anschauen. Wir befanden uns eindeutig im Nomansland. Keine Straßen, keine Vegetation, aber umzingelt von sandfarbenen Bergen und badenden Flamingos in der Lagune.
Das ganze hatte ich mir etwas farbenfroher und romantischer vorgestellt, doch auch der erhoffte Sonnenaufgang an diesem morgen blieb aus. Der Tourguide meinte: “Heute Nacht gab es einen Wetterumschwung. Seit vier Monaten hat es in der Wüste nicht geregnet und auch nicht auf den Bergen geschneit. Doch letzte Nacht gab es 30 cm Neuschnee!” – “Tolle Wurst”, dachte ich und schaute auf die dünne Leggings an meinen bibbernden Beinen.
Der Vulkan Lascar
Wir fuhren nach dem kleinen Frühstück und nachdem ich vom Tourguide seine private, zweite Trekkinghose bekam, noch ein paar Kilometer durch die Wüste. Ich drückte meine Nase an die Fensterscheibe und schaute mir begeistert das Nichts dieser Mondlandschaft an. Sehr spektakulär “hingen” die Wolken schwer am Boden und dazwischen fuhren wir langsam den Berg hinauf.
Der Vorteil bei dem Vulkan Lascar ist übrigens, dass er zu den wenigen Vulkanen auf der Welt gehört, auf den man fast hinauf fahren kann. Erst auf einer Höhe von etwa 4.900 Metern stellten wir den Jeep ab und wanderten los.
Nur 700 Höhenmeter bis zum Kraterrand mussten wir theoretisch überwinden, praktisch hatte ich schon nach 10 Minuten keine Lust mehr. Der kaum sichtbare und schneebedeckte Pfad verlief im Zickzack den Berg hinauf und dabei blies ein eisiger Wind. Die Sichtweite betrug nur wenige Meter und ich war beim Aufstieg so langsam, dass ich von Anfang an hinter der kleinen Truppe hinterher lief. Bei jedem Schritt brannten meine Beine und ich japste ab und zu nach Sauerstoff.
Ziemlich anstrengend
Wir machten jede halbe Stunde eine Pause und krochen immer weiter den schneebedeckten Berg hinauf. Die anderen aus der Gruppe hatten sich einen zackigen, aber gleichmäßigen Wander- Rhythmus zugelegt, der dazu beitrug, dass sich die Distanz zwischen uns weiter ausbaute. Meine Schritte hingegen wurden kleiner, langsamer und immer taumeliger. An dieser Stelle rächte sich meine naive Vorbereitung und auch die zu lange Fahrradtour vom Vortag.
Der Tourguide hüpfte auf mich zu und sagte: “Inga! Wir sind ein Team! Entweder wir erreichen den Krater zusammen oder wir steigen alle wieder gemeinsam ab!” “Hmmm!”, dachte ich. Sollte mich das nun motivieren weiterzugehen oder sollte es Druck ausüben? Denn zum ersten Mal in meiner Wander- Karriere spielte ich tatsächlich mit dem Gedanken des Aufgebens!
The vulcano is my limit
Nur wenige Minuten nach dieser Ansage, kam uns eine bereits absteigende Wandergruppe entgegen. In der Entfernung sah ich, wie sich die beiden Tourführer miteinander unterhielten und ich bemerkte auch ihre mitleidigen Blicke, während ich mich weiter Schritt für Schritt quälte. Mein Tourguide rief: “Willst du wieder runter? Dann kannst du mit der anderen Gruppe mit!” Ab jetzt hatte ich nur wenige Sekunden Zeit mich zu entscheiden. Ich wollte sachlich im Kopf abwägen, ob ich weiter wander oder nicht, ob ich… und während ich versuchte einen logisch, klaren Gedanken zu fassen, öffnete sich mein Mund bereits und hauchte “Jaaa”!
Erledigt!
Die Entscheidung war gefallen! Der andere Bergführer drückte mir einen Wanderstock in die Hand und schon ging es hinter einer deutschen Männergruppe den Berg hinab. Mit jedem Schritt wurde es leichter und mit jedem Schritt näherte ich mich wieder dem Sauerstoffgehalt, den ich brauchte.
Ich hatte es bis auf 5.300 Höhenmeter geschafft. Es fehlten zwar am Ende nur noch 300 Meter, dennoch wären es zwei weitere, quälende Stunden bis zum Kraterrand gewesen. …Und trotzdem war dies mein höchster Punkt an dem ich jemals war. Definitiv ein Erfolg, aber definitiv auch eine Grenze – meine persönliche Grenze! Zwischen 0- und 4.500 Höhenmeter fühle ich mich wohl, darüber hinaus ist nichts für mich. Also Everest – Nein, danke! 😉
Als ich beim Jeep ankam legte ich mich auf die Rückbank, deckte mich mit einer Jacke vom Wanderführer zu und schlief binnen weniger Sekunden ein.
Himmlische Erfahrung
Ein paar Tage später fragte mich meine Mutter, wie ich mich denn nun mit der “Niederlage” fühle. – Eigentlich ganz ok. Noch nie hatte ich mein körperliches Potenzial so ausgeschöpft und noch nie habe ich einfach so spontan aufgegeben. Ich bin ein sehr ehrgeiziger Mensch, daher war es einer meiner größten, mentalen Herausforderungen mir einzugestehen, dass ich nicht alles kann und auch nicht den Krater des Vulkan Lascars erklimmen werde. Stolz bin ich trotzdem!
Hier nun noch ein paar recht mystische Eindrücke der Tour als Video.
Dort zu sehen ist übrigens der Vulkan Acamarachi, der über 6.000 Meter hoch ist und in der Vergangenheit heilig für die Inkas war.
Falls du zufällig kurz vor der Besteigung des Vulkans stehst, lass dich nicht abschrecken und schon gar nicht aufhalten. Bessere Umstände, eine gute Vorbereitung und körperliche Fitness sind hilfreich und sowieso nie verkehrt. Vielleicht werde ich den Vulkan Lascar auch irgendwann noch mal besteigen, wer weiß?!
[…] Halb schlafend im Gehen schwor ich mir auf dem Rückweg, dass ich so eine anstrengende Wanderung nie wieder machen werde. Doch anscheinend waren ein Jahr später alle Strapazen schon wieder vergessen und ich kletterte auf den 5.600 Meter hohen, aktiven Vulkan Lascar in Chile. […]