Bunte Festa de Gracia in Barcelona
Vom 15. bis zum 21. August stieg in meinem Stadtviertel die Festa Major de Gracia in Barcelona. Ein super großes Spektakel, was sich durch fast alle Straßen zog.
Davon wurden 22 farbenfroh und kreativ geschmückt und am letzten Tag eine Siegerstraße gekürt. Ich war die ganze Woche lang mittendrin dabei, sowie in guten und in terroristischen Zeiten.
Der Artikel besteht diesmal aus zwei Artikeln. Sozusagen ein Artikel im Artikel. Denn ich stelle dir nicht nur ein tolles, traditionelles Fest aus Gracia in Barcelona vor, sondern beschreibe auch, wie Barcelona und ich mit dem Terroranschlag umgingen.
Versuch Nr. 1 Start in der Nacht
Schon tagelang hatte ich meine Straße und die Nachbarn beobachtet, wie sie sich auf das Fest vorbereiteten. Es wurde lackiert, gehämmert und improvisiert, denn meine Straße gehörte zu den geschmückten 22!
Vom Balkon meiner WG aus, hatte ich den besten Blick und sah, wie am Dienstag so langsam das Fest ins Rollen kam.
Abends war es dann soweit und zusammen mit meiner WG Mitbewohnerin und ihren spanischen Mädels ging es ab auf die Piste!
Es wurde viel geredet, gelacht, getrunken und sich durch die Gassen gequetscht. Mein Ziel war es natürlich die bunten Straßen und das spanische Leben in mich aufzusaugen und auch mit meiner Kamera festzuhalten. Aber letzteres war einfach nicht möglich. Zu viele Menschen dachten ähnliches und ich ließ meine Kamera irgendwann einfach in meiner Tasche. Stattdessen konzentrierte ich mich lieber darauf mein Bier nicht zu verschütten und mich von der guten Laune mitreißen zu lassen.
Mittendrin in Gracia in Barcelona
Vor verschiedenen Bühnen wurde getanzt, getrunken und Kontakte geknüpft. Freundesgruppen setzten sich in die Gassen auf den Boden und verzerrten gemeinsam Pizza. Es roch nach leckerem Essen. Überall eröffneten kleine Geschäfte Außenverkaufstände und mir lief ständig das Wasser im Mund zusammen bei dem Anblick von Bocadillos, Empanadas, Hot dogs und mehr! Letztendlich blieben wir dann allerdings vor einem veganen Hipster Imbissladen stehen! Denn so essen hier die meisten Anwohner des eher alternativen Viertels. Wobei ich schon zugeben muss, dass der Quinoa Burger gar nicht mal so schlecht geschmeckt hat.
Die letzte Band auf der Bühne in meiner Straße stimmte ihr erstes Lied um 23 Uhr an. Und so wurden unsere Balkon Logenplätze zur Qual. Meine Mitbewohner und ich trugen es mit Fassung und ließen uns durch den Hardrocksänger bis weit nach Mitternacht in den Schlaf brüllen. “Leute, müsst ihr nicht morgen früh alle arbeiten?” – Naja, mir war es egal, ich konnte ja ausschlafen ? Ja, eins können sie, die Spanier! Feste feiern, wie sie fallen!
Versuch Nr. 2 Das Fest am Tag
Weit und breit keiner zu sehen. Nur eine sehr müde Inga, die mühselig ihre Kamera morgens um 7 Uhr aus der Tasche fummelte. Endlich Platz für Fotos! Endlich Zeit sich die Details der tollen Arbeiten und Kreativität der geschmückten Straßen genauer anzusehen. Ich stolperte durch die Hölle, verirrte mich an einem neuen Bahnhof, betrachtete King Kong, verfing mich im Lamenta und bestaunte die bunten Schmetterlinge! Auch Schnee fiel von einem kleinen Schneelift mitten im Hochsommer auf mich herab! Die Vielfältigkeit war grenzenlos in Gracia in Barcelona und ich war immer noch auf der Suche nach den perfekten Bildern für diesen Artikel. 😉
Das Thema meiner Straße war übrigens Flower Power und die 60er. Sieht der VW Bulli nicht toll aus?
Die Tage im Schock in Barcelona
Am Donnerstag, den 17. August machte das Fest in Gracia in Barcelona eine unerwartete Pause. Ich bemerkte schnell, dass etwas nicht stimmte, denn normalerweise ging die Party in den Straßen nachmittags so richtig los. Aber an diesem Tag war es anders. Ich beugte mich auf dem Balkon nach vorn und begutachtete die Straße. – Nix los!
Mein Handy bimmelte und ich wusste schnell, dass etwas schlimmes passiert war. Meine Mitbewohnerin schrieb mir eine WhatsApp: “Bleib zu Haus! In der Stadt gab es einen Terroranschlag.” Geschockt googelte ich nach News und wurde schnell fündig. Das Netz überschlug sich bereits mit Vermutungen. Furchtbares hatte sich auf der Las Ramblas, der beliebten Touristenmeile ereignet. Ein Van war absichtlich in die Menschenmenge gerast, tötete und verletzte dabei viele Menschen. Was aber genau passiert war, war zu diesem Zeitpunkt unklar. Handy Videos mit bewaffneten Polizisten und auch mit Verletzten geisterten durchs Netz, die ich gar nicht sehen wollte.
Ich informierte sofort meine deutsche Freundin, die im Zentrum lebte. Denn eigentlich hatten wir geplant nun gemeinsam über das Fest in Gracia in Barcelona zu schlendern. Stattdessen blieb ich allein zu Haus, telefonierte mit Freunden und versuchte das Geschehene zu realisieren.
Was sonst noch geschah
Das Fest in Gracia in Barcelona wurde dicht gemacht. Hausarrest verordnet, die Helikopter kreisten stundenlang über der Stadt. Die Metros standen still, das Zentrum wurde abgeriegelt, die Welt in Barcelona wurde angehalten. Glücklicherweise kennt sich Barcelona aufgrund von großen Fußball Ereignissen mit der Organisation von Ausnahmezuständen gut aus. Wirklich schnell wurde reagiert und agiert. Es gab gratis Taxifahrten und Leute boten sofort den Betroffenen Schlafplätze und Hilfe an.
Meine Mitbewohnerin überraschte mich abends in der Wohnung mit ihren Freunden, inklusive Pizza und Wein. So machten es die meisten Spanier. Sie zogen sich in ihre Häuser mit Freunden und Familie zurück, um zum einen das Beste aus dem Hausarrest zu machen und zum anderen sich gemeinsam auszutauschen. Keiner wollte an diesem Abend alleine zu Hause bleiben. Und keiner wusste auch, wo sich die geflüchteten Terroristen zu diesem Zeitpunkt aufhielten.
Ein Tag danach
Ein Tag nach der Terrorattacke fuhr ich mit der Bahn Richtung Stadt zum Strand. Es war nicht viel los. Die meisten blieben immer noch zur Sicherheit zu Haus. Ich schaute in die Gesichter der Spanier – Aber ich konnte wenig in ihnen lesen. Ich interpretierte es, als Fassungslosigkeit und Unsicherheit, versteckt hinter einem enttäuschten Pokerface. Eine gewisse Schwere drückte spürbar die Stimmung und man schaute sich gegenseitig etwas mitleidig an. Jubeln, Lachen und sich angeregt unterhalten war an diesem Tag schlichtweg unpassend.
Auch ich fühlte mich komisch dabei wieder zum normalen Tagesablauf überzugehen, als wenn nichts gewesen wäre. Aber es blieb einem ja nichts anderes übrig. Tagelang sich einzusperren und in Trauer zu sein half weder den Verstorbenen und noch weniger meiner eigenen Verarbeitung. Schön, dass es allen Menschen, die ich kenne, abgesehen von den alltäglichen Wehwehchen gut geht!
Am Sonntag fühlte ich mich bereit dazu ins Stadtzentrum zu gehen, um mir speziell den Ort des Geschehens anzusehen. Ich dachte mir, wenn ich schon mal hier bin möchte ich auch gerne meine Anteilnahme zeigen. Ich ging zur Las Ramblas und konnte schon vom weiten Menschentrauben entdecken. Viele hatten sich um eine Straßenlaterne versammelt, an der tausende Blumen und Kerzen lagen. Ein Ort der Trauer – ein Gänsehaut Platz! Die Opfer bekamen Gesichter, was das ganze auch für mich richtig real werden ließ. Dies war nicht nur ein Platz, an dem schon immer viele Menschen rumwirbelten, dies war nun ein Platz, an dem man nicht vergessen konnte. Die vorbeifahrenden Autos starteten spontan ein anteilnehmendes Hupkonzert.
Die Party geht weiter
Zwei Tage waren die Straßen rund um das Fest wie ausgestorben. Nur einige wenige schauten sich die geschmückten Straßen an und nachts tranken junge Menschen sich die Erlebnisse weg. Es wurde viel darüber diskutiert, ob und wie es nun mit dem Fest in Gracia in Barcelona weitergehen sollte. Die Frage ist ja immer, ob man feiern darf, wenn so viele Menschen ihr Leben gerade verloren hatten. Aber vorerst war klar, die meisten Festaktivitäten und Abendveranstaltungen wurden auf Eis gelegt.
Aber… am Samstagabend trotz offizieller Staatstrauer kam das Leben zurück auf die Straßen. Die Dekorationen wurden um schwarze Trauerschleifen ergänzt und eine ganz neue Stimmung machte sich breit! “Wir feiern dennoch, du kannst uns nichts anhaben und wir sind glücklich, denn wir leben!” Es entstanden spontane Parties und auch in meiner Straße wurde, trotz abgesagter Livebands einfach die Musikanlage voll aufgedreht. Nur kurze Zeit später quetschten sich mindestens 500 Leute in die bunte Straße und ließen ihre Hüften zu spanischen Sommerhits bis früh morgens kreisen. “Barcelona is back!”
Der Wettbewerb
Witzigerweise war ich “just in time” in der geschmückten Siegerstraße als das Ergebnis bekannt gegeben wurde. Toll, diese Atmosphäre! Das kann ich gar nicht so einfach in Worte fassen. Aber stell dir einmal vor, wie du dich freuen würdest, wenn du ein Jahr lang mit deinen Nachbarn zusammen an der Dekoration gearbeitet hättest. Ihr hättet in dieser Zeit ständig aufeinander gehockt, euch neue Sachen ausgedacht, getüftelt, probiert und auch zusammen Nervenzusammenbrüche ausgestanden. Ja und dann gewinnt ihr auch noch zusammen! Unbeschreiblich!
Obwohl ich mit der ganzen Sache nichts zu tun gehabt habe fühlte ich mich in diesen Moment, als wenn ich selbst gerade die Goldmedaille gewonnen hätte. So mitreißend war die Stimmung!
Ich sah, wie das Team auf den Erfolg anstieß, sich in dem Armen lag, tanzte, jubelte und sich warum auch immer die Haare gegenseitig abschnitt. Wenn da nicht mal im Vorfeld eine Wette gelaufen ist. 😀
Gewonnen hatte die Straße, in der es auch im Sommer schneite. Eine aufwendige Holzhüttenoptik war an die Hauswände gezaubert worden und nachgebaute Almfenster mit kleinen Blumenkästen dekoriert. Kleine weiße und leuchtende Wattebäuschchen hingen über der Straße und als Highlight gab es einen nachgebauten kleinen Skilift, bei dem abends auch noch Schaum, als Schnee herunter rieselte. Die Straße wurde schon vorher als großer Favorit gehandelt. Denn häufig fragten sich die Einwohner in dieser Zeit untereinander: “Welche Straße gefällt dir am besten?” Die Travessia de Sant Antoni hörte ich doch sehr oft als Antwort.
Das Letzte zum Schluss
Es feiern die einen, enttäuscht die anderen! – Nö, stimmt nicht, denn auch trotzdem feierten die Teams in den anderen Straßen laut und fröhlich das Ende des Festes. Übrigens auch sehr lecker. Ich wünschte ich hätte den Geruch einfangen können.
Am 21. August endete dann das Fest auf dem Plaça de la Vila de Gracia mit ihren berühmten Castells. Die katalanische Tradition durfte natürlich nicht fehlen und ich sah den jungen Frauen und Männern beim Türmchen bauen zu. Toll, sich so etwas einmal live anzusehen. Es wurde wieder lang gefeiert und die Spanier stärkten sich gegenseitig mit solidarischen Parolen und formten ihre Hände zu Herzen.
Noch eine letzte Nacht lang schräbelte die Musikanlage in unsere Straße “Des-pa-cito” und wurde dabei laut singend von vielen glücklichen Spaniern begleitet.
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Liebe Inga, habe eben deinen Beitrag gelesen. Das Straßen fest im Gracia habe ich leider nie miterleben dürfen (irgendwie war ich nie zum richtigen Zeitpunkt da) aber allein das Viertel ist eins meiner liebsten in der Stadt. Dass es mittlerweile überall Terroranschläge gibt, ist einfach nur traurig aber um so schöner zu sehen, dass die Menschen sich ihren Lebensmut nicht nehmen lassen. Da können wir uns von den Spanieren auch noch eine Scheibe abschneiden 😉 LG Steffi