Boquete in Panama – Erwartungslos schön
Ob Janosch jemals selbst in Boquete in Panama war und das Land deswegen als schön betitelte? Keine Ahnung, aber die bekannte Überschrift seines Kinderbuches sauste mir häufig durch den Kopf, als ich im Mai 2017 plötzlich dort landete. Mitten in der Regenzeit sollte Panama eigentlich nur als Transitland für Costa Rica herhalten. Doch ich stellte schnell fest, dass es zum nur Durchreisen viel zu schade war. Neben den bekannten Orten, wie z.B. dem berühmtesten Kanal der Welt, wirkt die Dschungel Stadt Boquete in Panama fast wie ein Geheimtipp.
Kein glücklicher Start
Natürlich war es kein gänzlich unbekannter Ort, aber meine Recherchen, bevor ich ein Land besuchte, fielen aufgrund der Masse immer spärlicher aus. Ich wusste auch anfangs nicht, dass man in Panama mit amerikanischen Dollar bezahlt und hob beim ersten Geldautomaten viel zu viel ab, was sich allerdings im nachhinein als richtig herausstellte. Denn während ich mich noch an das schwüle Klima in Panama City gewöhnte, meldete sich meine Bank und teilte mir mit, dass meine Kreditkarte von nun an gesperrt sei. Was für ein Start in mein Panama/Costa Rica Abenteuer!
Nach ein paar Tagen Faulenzen am Pool des Hostels und einem Trip zu den San Blas Inseln brach ich Richtung Costa Rica auf. Mir war klar, dass die Strecke zu lang sei, um sie an einem Tag zu bewältigen und suchte mir deshalb einen Übernachtungs-Stopp auf der Landkarte aus. Der Name der Stadt Boquete hörte sich merkwürdig an. Booo-Kette! Aber als ich jemandem aus dem Hostel von meinem Plan erzählte, stimmte er mir kopfnickend zu: “Boquete es muy bonito!” – Alles klar, das reichte mir als Referenz.
Erwartungslos in Boquete in Panama
Dunkel war’s, der Mond schien helle… als ich nach 9 Stunden Gejuckel im Bus, wie ein begossener Pudel im Regen auf dem Marktplatz stand. “Nichts los bei dem Wetter und der späten Uhrzeit”, dachte ich und machte mich auf den Weg zur Unterkunft.
Am nächsten Morgen wurde ich durch Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht geweckt. Der Vorhang des Fensters wehte leicht im Wind und gab mir regelmäßig ein paar Sekunden lang den Blick auf die üppige, grüne Vegetation des Hostelgartens frei. Ich sprang vom Hochbett hinunter, testete meine nasse Kleidung, die ich nachts noch zum trocknen aufgehängt hatte und stellte fest, dass ich mir das hätte sparen können. “Welcome to the Jungle” und fast 100% Luftfeuchtigkeit. Ich fischte ein T-Shirt aus dem Rucksack, lief in den Garten zur Outdoor-Küche und wurde direkt von Stefano mit der Frage: “Cafecito?”, begrüßt.
Stefano, ein halbglatziger und junger Italiener hatte das Hostel erst vor einem Jahr übernommen und seitdem viel Geld investiert, um mit einer anderen Unterkunft in der 15.000 Einwohner Stadt zu konkurrieren. Alles neu, fresh und ein wahnsinnig großer Garten, in dem Zitronen, Orangen, Mangos und sogar Chilis wuchsen. Zwischen den Sträuchern hüpfte ein alter Hund glücklich durch die Gegend, der gerade erst seine Krebs-OP überstanden hatte. “Ja wirklich, ein perfekter Ort zur Rehabilitation und das nicht nur für den Hund.”
Ich genoss meinen Kaffee in der Sonne und vergaß dabei die Zeit und auch meinen Plan weiterzureisen. “Stefano, ich bleibe ein paar Tage hier. Was kann man in Boquete in Panama alles machen?”
Nachtwanderung zum Vulkan Baru
Meine Zähne klapperten von selbst durch die Kälte. Zusätzlich war ich vollkommen erledigt und übermüdet. Um Mitternacht hatte das Taxi die Amerikanerin Liz und mich am Fuße des Vulkans Baru rausgelassen, damit wir auf etwa 1.500 Höhenmetern unsere Nachtwanderung beginnen konnten. Der Plan war bis zum Sonnenaufgang den Kraterrand zu erreichen. Dazwischen mussten allerdings 14 km und etwa 2.000 Höhenmeter überwunden werden.
Ich schaute auf mein Handy. Es war schon fast 5 Uhr morgens. Wie so oft hatte ich die Höhenmeter und damit auch die kälteren Temperaturen unterschätzt. Ein schwarzes Mützchen hatte mir Stefano noch bei der Abfahrt in die Hand gedrückt und vermutlich damit mein Leben gerettet.
Etwa 12 Kilometer stolperten wir den Schotterweg bergauf, als sich langsam Panik breit machte. Im dunklen Wald konnten wir nur dem schwachen Licht der Stirnlampen und unserer Intuition folgen. Wenn wir uns nicht unterhielten und bewegten, war es beängstigend still und wir lauschten den Geräuschen der Nacht. Etwas unheimlich war es schon, aber wir hatten keine Zeit uns zu gruseln. Wir hatten es eilig. In etwa einer Stunde sollte die Sonne aufgehen und unser Ziel war immer noch nicht in Sichtweite.
Bleib auf der dunklen Seite
Langsam dämmerte es und die Umrisse des Wanderweges wurden erkennbar. “Wir werden zu spät kommen!”, rief ich zu Liz. Doch auf einmal erreichten wir die Vegetationsgrenze, die Bäume verschwanden und nur noch Felsen und Steine trennten uns vom Kraterrand. Der nächtliche Schatten vor uns wurde immer weniger und das Licht des Tages kroch langsam hinter uns den Berg hinauf. Immer schneller krackselten wir über die Felsen, bestiegen die Steine, balancierten auf kleinen Bergspitzen und erreichten gestresst, aber gerade noch rechtzeitig vor der aufgehenden Sonne das Gipfelkreuz.
Dort oben blies ein eisiger Wind, doch den ignorierte ich. War der Moment des Erfolgs und auch der Ort zu besonders, um über abgefrorene Gliedmaßen nachzudenken. Der inaktive Vulkan Baru ist mit 3.477 Metern der höchste Berg Panamas und aufgrund der Lage wirklich sehenswert. Bei gutem Wetter kann man von dort oben aus nämlich den Pazifik und das karibische Meer gleichzeitig sehen. Ich erspähte an diesem Tag leider nur den Pazifik, aber das machte den Ort nicht weniger spektakulär. Denn auf der anderen Seite schwappten die Wolken wasserfallähnlich über den Kraterrand. Unvergesslich, bibbernd schön!
Fazit
Der Aufstieg ist richtig hart, allerdings ist der Abstieg fast noch härter und zermürbend. Hier muss man körperlich richtig was tun, um mit dem Blick über den Kontinent belohnt zu werden. Die Überwindung der 2.000 Höhenmeter verlangt einem viel ab und auch die Gesamtlänge des Treks von 28 Kilometern lässt selbst sportliche Menschen an ihre Grenzen stoßen. Vor allem das Klettern der letzten Meter über die Felsen bis zum Gipfelkreuz könnte man als gefährlich bezeichnen, wenn man ungeübt ist.
Ich empfand die Wanderung insgesamt als eine bereichernde Erfahrung, die mich auch Tage später noch richtig stolz machte. Allerdings schwor ich mir auch auf dem Rückweg, dass ich so einen anstrengenden Hike nie wieder machen werde. Aus dem “Nie” wurde ein Jahr später übrigens eine Besteigung des 5.600 Meter hohen, aktiven Vulkans Lascar in Chile. Wie das so war, erfährst du hier.
Wanderung zu den Wasserfällen
Ich griff nach links, an das im Matsch liegende Seil und zog mich mit Schwung den kleinen Hügel hinauf. “Jetzt du!”, rief ich Kim aus Chicago zu. Sie schnappte sich ebenfalls das Tau, machte zwei große Ausfallschritte, verlor das Gleichgewicht und rutschte den Hang rückwärts wieder hinunter. Der Trek “the lost waterfalls” oder auch “trés cascadas” ist eine wirklich matschige Angelegenheit, vor allem wenn es dabei immer wieder Wolkenbrüche gibt. Doch mittlerweile war ich darauf vorbereitet. Nicht nur mein Regenschirm war nun immer griffbereit, sondern auch Zipper-Tüten, die Schutz vor Feuchtigkeit für meinen Technikkram boten.
Nach dem abwechslungsreichen Trek waren wir allerdings so nass und dreckig, dass der Taxifahrer, der uns wieder zum Hostel bringen sollte extra eine Plane auf der Rückbank seines Autos ausbreitete. Naja, der ganze Regen hatte auch etwas Gutes, wir waren fast die einzigen im ganzen Park.
Fazit
Diese Wanderung ist innerhalb von 3 Stunden gut machbar und hinterlässt, aufgrund der Dschungel-Vegetation ein echtes Regenwaldfeeling. Und egal für welchen Weg man sich entscheidet, man landet immer bei einem Wasserfall. Nämlich drei Stück verbergen sich im Park und sind meiner Meinung nach alle richtig cool. Je nach Regenpensum ändert sich auch der Schwierigkeitsgrad des Treks, aber mit etwas Abenteuerlust, Indiana Jones-Skills und festem Schuhwerk ist das alles machbar. Absolut empfehlenswert!
Adiós Boquete in Panama
Aus einer Nacht wurden letztendlich sieben Tage Boquete in Panama. Nichts erwartet und definitiv viel bekommen, wenn auch das meiste davon Regen war. Irgendwann gewöhnte ich mich daran und auch an die ganzen verschiedenen Insekten. Die dicken, braunen Käfer, die vor allem zahlreich in der Abenddämmerung durch die Gegend flogen, bezeichnete ich gerne als Breakdancer. Sie landeten manchmal auf dem Küchentisch und veranstalteten kopfüber eine Tanzsession.
An einem Tag fand ich einen Ehering in einer Pfütze, der so tatsächlich seinem Besitzer wiedergegeben werden konnte. An einem anderen Abend hatte das Hostel Stromausfall und wir Backpacker saßen gemütlich bei Kerzenschein beisammen und spielten Karten.
Nicht alles habe ich mir in der Stadt und Umgebung angesehen. Zum Beispiel steht die Region Boquete in Panama auch für Kaffeeanbau und für die Artenvielfalt von Vögeln. Aber gerade wegen dieser noch offenen Punkte, steht diese Stadt auf meiner “Gerne nochmal-Liste”. Am liebsten würde ich auch wieder dieselbe Unterkunft buchen, aber leider ist das, zumindest im Moment nicht möglich. Erst änderte Stefano die Strategie und bot seine Lodge nur noch Luxus-Gästen an und dann fiel der Betrieb dem harten Lockdown der Corona Pandemie zum Opfer. Schade, ich hoffe Stefano und seinem Hund geht es dennoch gut!
Zum Abschluss habe ich nochmal in meiner Reise-Kiste gewühlt und ein kleines Video zusammengeschnitten. Viel Spaß 🙂